Während der erste Teil meiner Artikelserie zum Foto-Workflow den Auswahlprozess für eine große Anzahl von Fotos beschreibt, beschreibe ich in diesem Artikel meine Bewertungskriterien für die Endauswahl der Fotos.
In diesem, dem letzten Schritt der Bildauswahl sind die technischen Aspekte nicht mehr entscheidend. Alle Fotos sind technisch so gut, dass sie bedenkenlos gedruckt oder veröffentlicht werden könnten. Oder sie enthalten ein Motiv, welches alle technischen Aspekte bedeutungslos werden lässt. Meistens sind das UFOs während der Landung, nackte Celebrity in der Öffentlichkeit oder ähnliche Fotos mit hohem Nachrichtenwert.
Meine Auswahl findet nach fotojournalistischen Gesichtspunkten statt. Deshalb hat der Informationswert des Fotos im Zweifel Vorrang vor den künstlerischen Aspekten.
Das wird besonders bei mehreren Fotos seiner Szene deutlich: Da meist vorher nicht bekannt ist, in welchem Umfeld das Foto gedruckt wird, sollten alle sinnvollen Sichtweisen der Szene angeboten werden können. Ist eine Szene im Hoch- und Querformat vorhanden, werden beide Fotos angeboten. Gleiches gilt, wenn die Person einmal mit Blickrichtung nach links und nach rechts vorhanden ist. Bei Nachrichtenhintersetzern ist die Blickrichtung besonders entscheidend – die Personen sollten in das Bild hineinschauen, nicht direkt aus dem Fernseher heraus. Gruppenfotos sollten möglichst in verschiedenen Konstellationen der Protagonisten vorhanden sein. Ein Porträt pro Person rundet die Auswahl ab.
Die Bildaussage steht im Vordergrund. Das ist wörtlich zu nehmen, denn der entscheidende Bildteil sollte klar erkennbar sein. Der Hintergrund darf nicht ablenken. Etwas subtilere Bilder werden auch gedruckt, sind aber die Kür und nicht die Pflicht, stellen also nur eine Ergänzung dar. Beides lässt sich durch klassische fotografische Mittel wie spezielle Objektive, Wahl der Position und die Lichtführung mitunter kombinieren.
Bleiben genügend Fotos in der Auswahl, entscheiden künstlerische und subjektive Aspekte über die Bildauswahl. Bei einer Porträtserie werden insbesondere Fotos mit einer interessanten Gestik oder besonderen Blicken bevorzugt. Ein Foto originell und lebendig sein, Atmosphäre ausstrahlen oder eine besondere Perspektive haben. Die Lichtsetzung kann den Ausdruck des Fotos deutlich beeinflussen. Gerade bei prominenten Personen macht die Höhe des Blickpunktes, also eine leichte Frosch- oder Vogelperspektive einen Unterschied in der subjektiven Bildwirkung.
Jedes Fotothema bringt besondere Kriterien der Bildauswahl mit sich. Bei Fotos eines Fußballspiels sind die ist die Dynamik und Bewegung im Bild besonders wichtig. Auf ein ein gutes Fußballfoto gehört der Spieler und sein Ball. Ohne das Spielgerät ist es schwierig, in einem Foto die Geschichte zu erzählen. Ein Fußballspieler muss nicht immer komplett sichtbar sein. Die Füße machen zwar die meisten Aktionen, sind aber allein völlig unspannend auf dem Bild. Dafür sind die Gestick und Körperhaltung sehr sprechend. Bei einem Kopfball reicht es, Kopf und Schulter zu zeigen – gern zusammen mit dem Spielgegner, der gleichzeitig nach dem Ball hechtet.
Fußball wird meistens mit einer Festbrennweite fotografiert. Dementsprechend schwierig ist es, den richtigen Ausschnitt schon bei der Aufnahme optimal zu wählen. Ein zu groß gewählter Ausschnitt ist beim Aussortieren deshalb kein Ausschusskriterium, im Gegenteil: Oft ist von Bildreaktionen gewünscht, auf dem Foto noch „etwas Fleisch“ zum Abschneiden zu haben. Der entsprechende Ausschnitt anhand der Umgebung des Fotos angepasst. Dem Künstler gruselt es, wenn nachträglich ein Foto beschnitten – und damit die Bildgestaltung verändert wird. Der Fotojournalist muss damit leben und sich lieber darauf einstellen.
Wie bei allen Events sind dies Geschehen am Spielfeldrand und die Zeit vor und nach dem Spiel wichtig. Deshalb gehören auch Fotos vom Trainer, den Fans und die Totale vom Spielfeld in die Endauswahl. Wenn mehrere Fotos gedruckt werden sollen, werden ein Foto für die Einordnung der Szene und ein oder mehrere Fotos für die Details genutzt.
Pro Fußballspiel landen bei mir ca. 20-40 Fotos in der Endauswahl.
Bei einem Konzert mache ich innerhalb der drei Lieder, in denen fotografiert werden, darf meist einige Hundert Fotos. Während dieser Zeit versuche ich, möglichst viele Blickwinkel des Konzerts auf die Speicherkarte zu bannen. Diese Vielfalt nach der Auswahl der Bilder sichtbar bleiben.
Die wichtigsten Bilder entstehen vom Künstler und der kompletten Bühne. Beides sollte aus mehreren Blickwinkeln und Kombinationen sichtbar sein. Weitere Fotos zeigen die Bühne mit und ohne Publikum, das Publikum einzeln sowie Porträt und Ganzkörperaufnahme der Künstler einzeln oder in verschiedenen Gruppen. Spielt der Hauptkünstler mehrere Instrumente, sollten diese nicht fehlen. Detail- und Ambientefotos reichern das Portfolio an und sind besonders für Bildstrecken im Internet wichtig.
Die Endauswahl sollte ca. 20-30 Fotos pro Band betragen. Mehr Fotos brauchen meist nur die lokalen Tageszeitungen, um mit Klickstrecken die Zugriffszahlen auf ihrer Homepage zu dopen.
Sind alle Fotos ausgewählt, werden diese kategorisiert und beschriftet. Darum wird es im dritten und letzten Teil der Serie gehen.
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