Erfahrungsbericht Fotos aussortieren

Das Fußballspiel ist fotografiert, das Konzert zu Ende und doch für die Fotojournalisten ist die Arbeit längst nicht geschafft: Hunderte, meist Tausende der soeben geschossenen Fotos müssen aussortiert, katalogisiert, beschriftet und in die Datenbanken und zu den Auftraggebern hochgeladen werden. Jeder Fotograf, der diese Tätigkeiten häufiger machen muss, hat sich dafür einen eigenen Workflow bereitgelegt, um Zeit zu sparen. Über meinen Workflow und meine Erfahrungen werde ich in einer mehrteiligen Artikelserie hier im Blog berichten.

Eine alte Fotografenweisheit erzählt: Was ist der Unterschied zwischen einem Amateur- und einem Profifotografen? Ganz einfach: der Profi wählt aus, welche Fotos er zeigt.

Um genau diesen Auswahlprozess soll es im ersten Artikel der Serie gehen.

Bei Shootings mit schlechten Lichtsituationen (z. B. Konzerte) oder viel Bewegung (z. B. Fußball) entsteht deutlich mehr Ausschuss, als bei gestellten Fotosituationen oder wenn das fotografierte Objekt, wie eine Landschaft, nicht wegrennt. Bei einem Fußballspiel entstehen meist um die 1200 Fotos. Selbst bei einem Konzert, bei dem meist nur die ersten drei Lieder fotografiert werden dürfen, sind es zwischen 200 und 500 Fotos. Nur die 20-50 besten Fotos sind es wert, aufgehoben zu werden.

Um den Workflow zu optimieren, arbeite ich mit Adobe Lightroom. Zuerst kopiere ich die Daten von der Speicherkarte auf die Festplatte. Oft sind das Datenmengen von über 10 GB. Das geht von Hand, z. B. mit dem Total Commander, oder noch besser direkt von der Speicherkarte mit der Import-Funktion von Lightroom. Durch die Presets beim Import können regelmäßig nötige Arbeitsschritte gleich beim Import mit erledigt werden. Für Konzerte, die ich meist mit 1600 ISO fotografiere, wird der stärkere Rauschfilter, für Tageslichtevents der normale Rauschfilter eingestellt. Zusätzlich werden die Copyright-Felder im IPTC-Header ausgefüllt und auf Wunsch die CR2-RAW-Dateien in das DNG-Format umgewandelt.

Jetzt sind alle Fotos im Lightroom verfügbar. Doch selbst mit aktueller und optimaler Hardware (Core i7, 8 GB RAM und SSD-Festplatte) ist das Blättern durch die Fotos mit Lightroom nicht flüssig genug, um ohne Zeitverlust über 1000 Fotos anzusehen. Um die erste Vorauswahl zu treffen, exportiere ich alle Fotos in das JPEG-Format mit einer Auflösung von 1600×1200 Pixel. Die Auflösung des JPEG-Bildes entspricht der meines Monitors. Das Foto wird nun im Vollbildmodus (meist Taste F oder F11) ohne Skalierung und damit ohne Qualitätsverlust durch den Bildbetrachter dargestellt. Wenn der Bildbetrachter keine Skalierung vornimmt, ist insbesondere die Schärfe des Fotos genau zu erkennen.

Früher bin ich die Fotos durchgegangen und habe alle gelöscht, die ich für nicht gut genug befunden habe. Da meist nur 5% der Fotos übrigbleiben, muss ich bei 95% der Fotos ein oder mehrere Tastendrücke ausführen. Das ist nicht effektiv. Deshalb nutze ich jetzt nur noch eine Positiv-Auswahl: Nur ein gutes Foto wird angeklickt und aufgehoben. Alle anderen fallen automatisch durch das Raster. Als optimale Software hat sich dafür FastPictureViewer Professional herausgestellt. Das Programm macht seinem Namen alle Ehre und ist wirklich schnell: Es gibt keine merkliche Verzögerung bei der Anzeige der Fotos. Selbst wenn ich mit dem Mausrad durch Hunderte Fotos blättere, ist das Programm schnell. Zusätzlich zeigt es auf Wunsch wichtige Parameter wie Zeit, Blende, ISO sowie ein Histogramm des Fotos an. Der FastPictureViewer hat eine passende Funktion für die Positivauswahl der Fotos. Mit einem Klick auf die mittlere Maustaste wird das Foto in ein anderes Verzeichnis kopiert und mit einem halbtransparenten Stempel versehen. Jetzt kann ich beim Durchblättern sofort erkennen, welches der Fotos ich schon ausgewählt habe.

Ziel ist es, in dem ersten Auswahldurchlauf so wenig wie möglich Fotos übrig zu haben, die in den nächsten Auswahldurchlauf kommen. Meist bewerte ich nur 10-15% der Fotos als ausreichend gut für die zweite Auswahl. Hauptauswahlkriterium sind die technischen und eindeutig erkennbaren Merkmale wie ein korrekt sitzender Schärfepunkt. Besonders bei langen Brennweiten und großer Offenblende (z. B. mit meinem Canon 200/2L IS) entsteht viel Ausschuss, aber auch hervorragende Fotos, wenn der Schärfepunkt optimal sitzt. Bei Actionsituationen erstelle ich mit der Serienbildfunktion der Kamera sehr viele Aufnahmen hintereinander, wo meist nur die eine, beste Aufnahme übrigbleibt. Ein Beispiel hierfür sind Kopfballsituationen in einem Fußballspiel.

Nach dem der erste Auswahldurchlauf erfolgreich war, startet der zweite Durchlauf mit einem anderen Fokus. Die Perlen müssen gefunden werden. Deshalb wird bei ähnlichen Motivsituationen wird nur das jeweils beste Foto aufgehoben. Dabei hilft, dass ich nun alle gemachten Fotos des Events schon einmal gesehen habe. Dadurch kann ich besser einschätzen ob von der der jeweiligen Motivsituationen noch ein anderes, evtl. besseres Foto vorhanden ist oder nicht. In diesem Durchlauf wird gründlicher geschaut, sind doch alle Fotos zumindest schon technisch so gut, dass sie es auch in die Endauswahl schaffen könnten. Deshalb dauert dieser Auswahlprozess trotz der deutlich geringen Bildmenge genauso lang wie der erste Durchlauf. Übrig bleibt jetzt eine maximal zweistellige Zahl der besten Fotos. Aber es sind immer noch zu viele. Deshalb kommt wieder Lightroom zum Einsatz.

Um die Dateiauswahl effektiv im Lightroom abzubilden, wende ich einen Trick an: Die ausgewählten JPG-Dateien werden in *.CR2 bzw. *.DNG-Dateien umbenannt und dann mit der Funktion „Verzeichnisse vergleichen (Umschalt-F2)“ des Total Commander mit den Dateien im Lightroom-Verzeichnis verglichen. Jetzt lassen sich mit F8 alle überflüssigen RAW-Dateien löschen. In Lightroom wird das betreffende Verzeichnis neu synchronisiert und schon ist nur noch die Essenz übrig.

Diese Essenz muss jetzt allen kritischen Blicken standhalten. Gerade bei schwierigen Fotomotiven, insbesondere Porträts, ist es ideal, noch ein geübtes Auge mit entscheiden zu lassen. Hier zeigt die Erfahrung, dass Frauen die Fotos meist anders betrachten als Männer und eine andere Auswahl treffen. Während die Männer mehr auf die technischen Qualitäten des Fotos gewichten, besitzen die Frauen ein feines Gespür für die Emotionen, die ein Foto ausstrahlt und welche Wirkung es auf den Betrachter hat. Auf dieser Ebene der Bildbetrachtung gibt kein falsch oder richtig mehr, hier entscheiden das Gefühl und das Ziel des Shootings. Herausragende Fotos erhalten in Lightroom ein passendes Rating von 1-5.

Für den letzten Auswahlschritt nutze ich Lightroom, um alle technischen Möglichkeiten der Bildbewertung und Korrektur zur Verfügung zu haben. Ich kann zwei Fotos markieren und sie zum Vergleich nebeneinanderlegen (Kurztaste „C“). Oder bis auf Maßstab 1:1 hineinzoomen (linke Maustaste auf dem Bildausschnitt) oder bestimmte Helligkeitswerte im Foto korrigieren (insbesondere mit den Reglern Recovery, Fill Light und Blacks). Abhängig vom Thema und der Bedeutung der Fotos kann dieser letzte Schritt der Bildauswahl beliebig aufwendig gestaltet werden …

… wer jetzt denkt: „So viel Aufwand, darauf habe ich keine Lust!“ der macht einfach weniger Fotos. Oder realistischer: Er versucht weniger Fotos zu machen, ohne an Qualität zu verlieren. Das geht am besten mit viel Übung und zunehmender Erfahrung. Manchmal helfen auch kleine Kniffs: Ich nutze bei meiner Kamera die Serienbildfunktion nicht in der höchsten Geschwindigkeitsstufe mit 10 Bildern pro Sekunde, sondern schalte auf 6-7 Fotos pro Sekunde herunter. Die nacheinander geschossenen Fotos haben dann zwar mehr Unterschiede zum Vorgängerfoto, es bleibt aber noch genügend Auswahlmöglichkeit. Gerade beim Sport ist das eine gute Möglichkeit, Auslösungen zu sparen. Bei Konzerten nutze ich die Serienbildfunktion jedoch nur äußerst selten. Hier mache ich mir vor jedem einzelnen Foto Gedanken, ob ich abdrücke.

Wie sind Eure Erfahrungen mit der Auswahl von Fotos? Wie kann dieser Prozess weiter vereinfacht und optimiert werden? Ich freue mich auf die Kommentare hier im Blog.

Teil 2: Erfahrungsbericht Fotos aussortieren – Die Details

9 Kommentare zu „Erfahrungsbericht Fotos aussortieren“

  1. Hallo,
    das ist wirklich keine leichte Frage, wie man am Effektivsten die Bilder auswählt. Im Moment ist bei mir folgendes Vorgehen üblich: Ich gehe auch in zwei Schritten vor, aber nur mit Hilfe der Lightroom-Bewertung. Erstmal werden die schlechten grob mit einem oder zwei Sternchen raus sortiert, je nachdem, wie die Chancen stehen was zu retten. Und im nächsten Schritt werden dann die übrigen etwas genauer betrachtet und in die drei übrigen Bewertungskategorien einsortiert. Da ich aber vor allem im privaten Bereich fotografiere finde ich es manchmal schwierig, mit der eindimensionalen Skala zurecht zu kommen. Neben der fotografischen Qualität ist da immer noch die emotionale Dimension, die auch zu beachten ist, da es sich ja wie gesagt an Erinnerungsfotos handelt. Deshalb lösche ich auch nicht gleich die schlechten Fotos, für den Fall das eine Sache, von der ich unbedingt ein Foto haben möchte, nichts in guter Qualität da ist. Die Bewertung ist also letztlich eine ungefähre Mittlung zwischen ideellem und fotografischem Wert der Bilder. Ideal ist das nicht, aber eine bessere Lösung habe ich bisher nicht gefunden. Da hat man es als Profi ohne persönliche Bindung an das Motive doch wesentlich leichter. Doppelte Motive werden per Stapelfunktion gesammelt und das beste nach oben geschoben. Dadurch habe ich bei ausgeblendeten Stapeln schnell eine gute Auswahl an Bildern, die je nach der gerade sinnvollen Anzahl eben nur die 5-Sterne-Bilder oder wenn es mehr sein sollen auch die 4- oder 3-Sterne-Bilder enthält. Der Nachteil ist natürlich, dass diese Auswahl dann nicht unbedingt web-tauglich ist.
    Gruß,
    Jan Martin

  2. Lustig, bei mir sieht es extrem ähnlich aus. Zwei Löschdurchgänge, nach denen nur 20-30% der Bilder (meist geht es um Porträts) übrig bleiben. Danach kommen allerdings drei Runden, um die besten rauszufinden, also 3 Sterne, 4 Sterne und 5 Sterne vergeben. Jeweils die vorherige Runde als Basis. Am Ende stehen die zehn besten Bilder, die das Modell erhält und die bearbeitet werden. Allerdings mache ich das ganze nur in einem Programm, direkt mit den RAWs. Fotostation geht so schnell mit den RAWs um, dass ich das ganze unproblematisch in Echtzeit machen kann. Bis auf einige nervige Bugs durchaus zu empfehlen.

    Auf diese Art komme ich aus einem Shooting mit ca. 1.600 Bildern auf meine zehn, auch wenn ich dafür etwas Zeit brauche… :)

  3. Jan, die Idee, die Stapelfunktion zu nutzen ist wirklich gut. Ich nutze sie bis jetzt nicht, da mir kein wirklich brauchbarer Zweck eingefallen ist, aber so bringt das ganze etwas.
    Um den künstlicherischen und ideellen Wert der Bilder, der die Auswahl noch schwieriger macht, geht es im nächsten Artikel.
    Georg: Wie lange brauchst Du für 1600 Bilder? Mit sortieren und beschriften brauche ich im guten Fall zwei Stunden, was immer noch viel ist.

    1. @ Markus:
      Bei mir kann so etwas schon mal 3-4 Stunden dauern, grade weil sich bei mir oft viele Bilder nur in Nuancen unterscheiden (Thema Porträt). Wäre schön, wenns schneller ginge, aber da bin ich dann der limitierende Faktor… :)

  4. Oh, den Artikel bin ich mal gespannt.
    Freut mich, dass ich dir weiterhelfen konnte. :) Aber Vorsicht, die Stapelfunktion hat auch so ihre Tücken. Mit der alles markieren Funktion erwischt man dadurch nicht mehr automatisch den ganzen Ordner.

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  6. Du kannst doch in LR die automatische Weiterschaltung verwenden. Die ist bei mir aktiviert. Jetzt brauche ich nur noch zwei, maximal drei Tasten drücken. X für Löschen, 8 ist bei mir weiterverarbeitung, wenn ich ein Bild behalten will aber es nicht bearbeiten will, schalte ich mit dem Pfeil weiter. Anschließend sage ich Aussortierte Bilder löschen und sehe was ich behalte. Ich habe die Bilder in RAW und in JPEG und finde, während die RAWs gerendert werden geht die Sichtung schnell.

    1. Das mit der automatischen Weiterschaltung ist mir neu. Gut zu wissen!
      Ansonsten gehe ich im Prinzip wie Karsten vor: Ich sichte in LR und vergebe dabei meine Sterne. Alles ohne Stern wird später weggeworfen. Das geht recht fix und wenn ich mir unsicher bin und das Bild doch in 100%-Ansicht sehen möchte, ist das auch kein Problem.

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