Deutschland stolpert ins EM-Finale

(Update) Ein so behäbiges und trotzdem spannendes Fußballspiel musste ich lange nicht mehr ertragen. Während der normale Gelegenheits-Fußballfan (< 5% der Anwesenden) nur unter Schmerzen litt, wechselte sich bei den Fans um mich herum im Minutentakt Herzstillstand, Urgeschrei und wenig maßvoller Bierkonsum ab. Zu allem Überfluss fallen sich beide Gruppen zwischendurch ein paarmal in die Arme und durchleben die drei Stadien gleichzeitig. Nur der sechsminütige Bildausfall nach der Halbzeit senkte die Taktrate etwas ab und malte ein Standbild auf den Fernseher und in das Gesicht der Anwesenden.

Die elf Last-Man-Standing-Spieler der Türkei spielten rund 90 Minuten kämpferischen Fußball und die gleiche Zahl in weiß gekleideter Statisten schauten dabei zu. Die beiden dabei ins Tor hoppelnden Bälle waren offensichtlich von der Dramaturgie so geplant. Dass der Schiedsrichter beim kollektiven Weggucken dabei war, erklärt die nicht geahndeten Fouls an den Statisten und den vergessenen Elfmeter für Deutschland gleichermaßen. Zwischen Foul und Faulheit zupften die Weißen den Spannungsbogen ein paar Mal im Spiel ordentlich zurecht: Sie begannen sich elegant und koordiniert zu bewegen und nutzen diese Wachmomente praktischerweise gleich für drei schöne Tore – nicht ohne danach augenblicklich wieder zum Bewegungsmuffel zu mutieren. Die Fachleute im Geiste stempeln diese Lethargie als effizient und effektiv. Vermutlich, weil die Deutschen sich die restlichen 85 Minuten der Spielzeit für das Finalspiel aufgehoben haben.

Jens brachte die Lage auf den Punkt: "Der Fußballgott muss ein Deutscher sein". Denn: Millionen von Menschen reißen gleichzeitig die Arme hoch. Ist das normal? Nein! Ist das Fußball? Ein bisschen! Ist Deutschland per Last-Minute Tickt im Finale? Jaaaaaaaa!

3 Kommentare zu „Deutschland stolpert ins EM-Finale“

  1. Hi Jens, vielen Dank für das viele Lob. Ich bin gleich ganz rot im Gesicht geworden und die Kollegen fragen schon, ob es mir gut geht :). Meine geballte Unwissenheit, was den Fußball betrifft, hat auch Vorteile: der Blick auf das Wesentliche wird nicht von Details wie Abseitsregeln 4-4-2 vs. 0-8-15 vs. 42 und ähnlichen getrübt. So konnte mein nun geschärfter Blick die vielen hübschen Frauen auf der Fanmeile erkennen und meine Kamera deren Gesichter für ewig in Chips brennen. Es gibt eben doch schöne Seiten am Fußball …

  2. Lieber Markus, wer Dich kennt und also weiß, dass Du von Fußball in etwa soviel verstehst wie ich vom Synchronschwimmen, kommt nicht umhin, Dich zu diesem sehr gelungenen Artikel zu beglückwünschen. Beweist Du doch, dass Fußball – reduziert auf das nötigste und damit auch für den Laien verständlich – noch immer die schönste Nebensache der Welt ist. Außer natürlich Sex auf der Hollywoodschaukel bei Windstärke 7 (Rückenwind).
    Liebe Grüße und bis Sonntag, Jens!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen