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KulturArena: Bajofondo Tango Club

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in bester Garderobe in die Oper, freuen sich auf, sagen wir  Mozarts „Entführung aus dem Serail“ und bekommen stattdessen zwei Stunden lang „Die Simpsons“ serviert. So ähnlich muss es einigen Besuchern der KulturArena am Donnerstagabend ergangen sein, denn das, was es da zu hören gab, war ziemlich abgefahren – elektronisch, ach was, hyperelektronisch kam daher, was man sonst aus Bars, – verraucht und knisternde Erotik in der Luft – am Rio de la Plata kannte. Der Tango, der erotischste aller Tänze, braucht doch eigentlich nur ein Klavier und ein Akkordeon, alternativ auch ein Bandoneon. Mehr nicht. Eigentlich…
Und dann belehrte der Bajofondo Tango Club, eine bunt zusammengemischte neunköpfige Band aus Argentinien und Uruguay, die Arena-Besucher eines besseren. Sampler, Videosequenzen, Gitarrensynthesizer, elektronische Drums, darüber Soundeffekte aus der Technoszene gelegt… Tja, und dann ging die Post ab. Zumindest für den Teil des Publikums, der sich mit dieser recht eigenwilligen Interpretation der Tangomusik arrangieren konnte. Der andere Teil, deutlich die Minderheit der 1.600 Besucher am Donnerstagabend, kam sich wohl vor, als hätte man sich in der Veranstaltung geirrt.

Der Ursprung dieses Projektes geht auf das Jahr 1997 zurück, als der Latin Rock Pionier und  Produzent Santaolalla die Plattenfirma SURCO gründete – ein Joint Venture mit Universal. Es war die erste regionale Latin Plattenfirma, die sich ausschließlich auf spanischsprachige, alternative Musik spezialisierte und so Heimat für Stars wie Molotov, Juanes, Orishas und viele andere wurde. Es reifte ein Konzept, aus dem 2002 die Bajofondo Tango Club Formation unter der Leitung von Gustavo Santaolalla und Juan Campodónico entstand. Dazu gehören einige der visionärsten und talentiertesten Musiker aus Uruguay und Argentinien.

Nach dem großen Erfolg des ersten Albums – Platin bereits kurz nach der Veröffentlichung und diverse Preise wie z.B. ein Latin Grammy in der Kategorie Best Pop Instrumental Album – wurde 2004 das zweite Album „Bajofondo Tango Club: presents Supervielle“ aufgenommen, bei dem der gleichnamige Klavierspieler Luciano Supervielle im Vordergrund steht. 2007 folgt das dritte Album, auf dem Gastmusiker wie etwa Nelly Furtado zu hören sind.

Sehr modern wirkt die Band bei ihrem Auftritt in Jena und das liegt wohl nicht nur an ihrem eingangs beschriebenen Bühnenequipment. Es liegt vor allem an der Interpretation des ach so klassischen Tangos: Der Bajofondo Tango Club entstaubt ihn, wirft alle Konventionen über Bord. Und wer in Jena genau hinhörte, konnte sogar einige Zeilen Rap heraushören. Der Schock für die Hardcore-Fraktion der Tangoliebhaber saß tief. Für alle anderen war es eine gänzlich neue Erfahrung: Der Tango ist im 21. Jahrhundert angekommen.

Besetzung:
Gustavo Santaolalla (Produzent und Gitarre, Oscarpreisträger 2006 in der Kategorie „Best Soundtrack“ mit dem  Film „Brokeback Mountain“), Juan Campodónico  (Produzent und DJ), Luciano Supervielle (Keyboards, DJ und Scratching), Javier Casalla (Violine), Martin Ferres (Bandoneon), Gabriel Casacuberta (Kontrabass), Veronica Loza (VJ und Vocals).

Text: Jens Mende
Fotos: Markus Kämmerer/Happy Arts

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