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WAZ mit Kodex: Ab jetzt „Glaubwürdig und verlässlich“?

Die WAZ Gruppe feiert sich selbst für die Unterschrift unter den selbst erstellten Verhaltenskodex, der hauptsächlich das regelt, was der Pressekodex für Journalisten ohnehin vorschreibt. Das sieht Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates laut OTZ anders: „Der WAZ-Kodex sei keine Konkurrenz und auch kein Ersatz für den Pressekodex des Deutschen Presserates, sondern konkretisiere und ergänze ihn durch hausinterne Bindung.“

Hans Hoffmeister schreibt:

„Wer Regionalzeitungen wie die TLZ liest, darf generell auf deren Glaubwürdigkeit vertrauen.“

Das ist ein sehr hoher Anspruch, den Hans Hoffmeister, TLZ-Chefredakteur und Herausgeber einer 15-bändigen Edition über Villen in Thüringen formuliert. Dass Anspruch und Wirklichkeit mitunter schwierig vereinbar sind, zeigen die beiden Artikel Ärztedemo in den Jenaer Medien (Teil II).

Doch schon die Verbreitung der Zeitungen OTZ, TLZ und TA (alle Zeitungsgruppe Thüringen, die zur WAZ Mediengruppe gehören) zeigt, wie schwierig Unabhängigkeit ist. Laut Eigenwerbung „Dynamik in Zahlen“ hat die ZGT in Thüringen eine Reichweite von knapp 50% und bei den Abonnenten einen Marktanteil von meist 95-99%. Kein Wunder, es gibt in den meisten Städten und Kreisen keine weitere Tageszeitung (mehr). Im Altenburger Land gibt es sie noch: die Osterländer Volkszeitung. Dort liegt der Marktanteil der ZGT plötzlich bei nur 23,2%. Was die „Dynamik in Zahlen“ verschweigt: Die Abonnenten–Auflage der OTZ+TLZ (wird nur zusammen gemessen) ist in zwei Jahren um 8,2% gesunken (QI/2005: 25.978, QI/2007: 24.005, Quelle: IVW). Wie die „Gefahr für die Pressevielfalt im Osten des Ruhrgebiets “ durch die WAZ-Gruppe aussieht, durfte die Bunderegierung in einer kleinen Anfrage (PDF) beschäftigen.

Doch sinkende Auflage und monopolartige Stellung allein sind noch kein Merkmal der Qualität. Ein Blick in den Verhaltenskodex unter „Ergänzende Erklärungen“ verrät:

„Die WAZ-Mediengruppe hält sich an geltende Tarifverträge.“

Schon ein Blick in die Liste der „Tarifumgehung der Verlage“ des Deutschen Journalistenverband DJV holt uns in die Realität zurück: „Die Volontäre sind Schüler der Journalistenschule Ruhr und werden untertariflich bezahlt.“ (Hintergrund: „WAZ bittet zur Kasse“ in die tageszeitung). Weitere Hinweise auf den Umgang mit den Tarifverträgen befinden sich in der kleinen Anfrage an den Bundestag (Download PDF)

Auch die eigene Erfahrung zeigt eine „besondere“ Realität. Als Fotojournalist war ich bei einer mehrtägigen lokalen Veranstaltung tätig. Von einem freien Redakteur wurde ich angesprochen, ob ich ein Bild liefern könnte. Die Bezahlung beträgt laut MFM, der Tarifliste der Fotografen mindestens 40 €/Bild (Einspalter), bei OTZ/TLZ werden jedoch nur ca. 8 €/Bild gezahlt. Doch auch das war zu viel: da der Veranstalter kostenlos Bilder liefern konnte, werden diese bevorzugt. Publizistische Freiheit sieht anders aus.

Der DJV bejubeltbegrüßt den Kodex der WAZ“, fragt sich aber nicht, was davon in der Realität übrig bleibt.

Weitere Presseberichte:

die tageszeitung: „Drei Damen im Bild“ Die WAZ-Mediengruppe gibt sich einen Kodex für unabhängigen Journalismus. Warum nur? Warum jetzt?

ZEIT online: Medien und Werbung: Was dürfen Journalisten?

kress packt das Thema zum Tag der Pressefreiheit sportlich an: Trendthema Pressekodex – was soll unbedingt rein? Über 30% wünschen sich „Schnaps erst nach der Morgen-Konferenz.“

Die persönlichen Beziehungen der Redakteure mit lokaler Politik und Wirtschaft kann der Kodex nicht verhindern. Aber zum Glück gibt es Blogger.

P.S. Es wäre spannend zu erfahren, wie mit den Pressekonditionen konkret umgegangen wird.

OTZ und TLZ widmen dem Thema jeweils gut eine halbe Zeitungsseite. Ausriss der heutigen Ausgaben:

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6 Kommentare zu „WAZ mit Kodex: Ab jetzt „Glaubwürdig und verlässlich“?“

  1. Die persönlichen Beziehungen der Redakteure mit lokaler Politik und Wirtschaft kann der Kodex nicht verhindern. Aber zum Glück gibt es Blogger.

    Irgendwie ist ja jeder Mensch subjektiv. Aber wenn durch diesen Kodex bestimmte Praktiken (bezahlte Reisen zu PR-Terminen usw.) vermieden werden finde ich das gut. Vor allem weil es ja andere Zeitungen gibt, die anscheinend ihre Aufgabe inzwischen darin sehen dem Volk irgendwelche Produkte zu verkaufen, als journalistisch korrekt zu arbeiten.

  2. Jens, Du hast vollkommen recht. Den Kodex einzuführen ist gut und mutig, da man sich daran messen lassen muss, was andere bestimmt dann tun, wenn es nicht günstig ist. Der Kodex ist aber nur so gut, wie er gelebt wird. Und genau hier ist das Problem und wird wohl viel Zeit, Arbeit und Geld investiert werden müssen. Speziell für letzeres mache ich mir da ernsthaft sorgen.

    Aber vielleicht dämmert es den Managern doch noch rechtzeitig, das ein solcher Kodex, wenn er gelebt wird und gelebt werden kann (Stichwort: angemessene Bezahlung) die journalistische Qualität hebt und damit auch auf dauer die Rendite sichert.

  3. Die persönlichen Beziehungen der Redakteure mit lokaler Politik und Wirtschaft kann der Kodex nicht verhindern. Aber zum Glück gibt es Blogger.

    Wenn ich mir allerdings die Macht der User bei Digg letztens vor Augen halte… neee, will ich auch keine „Macht der Blogger“

  4. Pingback: TLZ und OTZ fusionieren und gründen derosten.de · Happy Arts Blog

  5. Der journalistische Kodex beinhaltet ganz klar die Verpflichtung zur Aufklärung öffentlicher Interessen und der Vermeidung von Zugeständnissen ‚Öffentliche Personen vor Enthüllungen zu schützen‘, deren ev. falscher Marktwert aufrecht erhalten werden soll!

    Dies zeigt der Fall Dieter Behlinda ganz deutlich.

  6. da kann ich mich Herrn Deutschkron nur anschließen. Ich kenne das Buch und weiß jetzt, daß es schwer ist die Wahrheit bei unserer Presse durchzusetzen. Sie belügen uns nach Strich und Faden, dann legen sie uns irgend einen Schuldigen vor, der sodann die Suppe auslöffeln muß. Ich hoffe nur, daß sich Herr Rentzsch mit der Behlinda Biographie durchsetzt.

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